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Format
Meldung
Date
30. April 2025

Zukunftsbild für den Standort Deutschland: Was macht die Industrie von morgen aus?

Um das Ziel eines klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort bis 2045 zu erreichen, sind in dieser Legislaturperiode entscheidende Weichenstellungen nötig. Eine neue Studie von Agora Industrie und der Bertelsmann Stiftung gibt einen Einblick in Konsenspunkte und Differenzen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Industrieland. Auf Basis von Interviews mit zentralen Akteuren liefert sie auch konkrete Handlungsempfehlungen - darunter zur Einrichtung eines eigenständiges Monitorings der Industrietransformation.

Klimaneutraler Wirtschaftsstandort 2045

Deutschland steht vor der Jahrhundertaufgabe, seinen Wirtschaftsstandort in den kommenden zwei Jahrzehnten sowohl an neuen geopolitischen Realitäten, als auch klimapolitischen Notwendigkeiten auszurichten - und dabei weiter im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Die heute veröffentlichte Studie „Klimaneutraler Wirtschaftsstandort 2045“ von Agora Industrie und der Bertelsmann Stiftung zeigt auf, welche politischen Weichen hierfür in dieser Legislaturperiode entscheidend sind und wie diese gestaltet werden können. Sie basiert auf ausführlichen Interviews mit mehr als 30 Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Ein zentrales Ergebnis: Das Ziel der Klimaneutralität 2045 erfährt breite Akzeptanz. Alle interviewten Personen wünschen sich ein Land dessen Wirtschaft digital, resilient, ressourceneffizient und klimaneutral ist. Dabei wurde hervorgehoben, dass Deutschland seine Stärke bei der hohen technologischen Spezialisierung auch in Zukunft weiter ausbauen sollte.

Dennoch zeigten die Interviews es bei der konkreten Umsetzung erhebliche Differenzen. Besonders kontrovers wurde die Rolle des Staates diskutiert. Während die energieintensive Industrie klare staatliche Vorgaben und Förderungen für den Umbau ihrer Produktionsprozesse fordert, plädieren andere Akteure für mehr Marktkräfte und Technologieoffenheit. Einigkeit besteht jedoch darin, dass erhebliche Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und eine moderne Infrastruktur notwendig sind damit die Transformation gelingt. Um bestehende Differenzen zu überwinden, schlagen die Autoren ein Monitoring vor, das die Politikmaßnahmen im Rahmen der Industrietransformation evaluiert, sowie eine vorausschauende Folgenabschätzung zentraler Richtungsentscheidungen.  Dies kann eine gemeinsame Daten- und Faktenbasis etablieren, um Differenzen in der industriepolitischen Ausrichtung zu überwinden und mehr Transparenz über die Wirkung von Politikmaßnahmen zu schaffen.

Auf Basis der Interviews identifiziert die Studie zudem sechs zentrale Bereiche, bei denen es Einigkeit zum Handlungsbedarf gibt. In ihrer Analyse formulieren die Autoren der Studie darauf aufbauend konkrete Maßnahmenvorschläge. Dazu zählt, dass neben dem beschleunigten Hochlauf bei Windkraft und Solar im Bereich Energie eine klare Strategie für Wasserstoff und CCS-Technologien nötig ist. Diese ist insbesondere für Grundstoffindustrien wie Stahl, Zement und Chemie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Darüber hinaus werden die aktuellen Strompreise als wesentliches Hemmnis für Investitionen benannt und machen deutlich, wie wichtig es ist, in der weiteren Debatte Klimaziele und Wirtschaftlichkeit gemeinsam zu denken.

Das Thema Infrastruktur ist untrennbar mit der Frage der Finanzierung verbunden. Hier hat die künftige Regierung schon vor ihrem Start mit dem Sondervermögen wichtige Entscheidungen getroffen. Die Autoren warnen jedoch vor einem Investitionsstau, wenn die Schuldenbremse nicht reformiert wird. Gleichzeitig ergibt sich durch hohe Investitionen in Infrastruktur ein Hebel, um die Transformation voranzutreiben - zum Beispiel durch die öffentliche Beschaffung von klimafreundlichem Stahl und Zement. Der Abbau von klimaschädlichen Subventionen würde helfen, die Finanzierungslücke zu schließen und den Druck senken, Emissionen in anderen Bereichen noch rascher zu reduzieren.

Bei allen Interviewpartnerinnen bestand Einigkeit darüber, dass fehlgeleitete Investitionen und falsche Rahmenbedingungen ein Hemmnis für die Modernisierung des Wirtschaftsstandorts und die notwendige Transformation darstellen. Die Autoren empfehlen daher im Bereich Governance eine Ausweitung und systematische Anwendung von Praxis- und Digitalchecks in allen Bundesministerien, um bürokratische Hürden zu erkennen und frühzeitig abzubauen. 

Im Bereich Arbeit konstatiert die Studie den weiterhin bestehenden Fachkräftemangel, der gerade bei den Transformationstechnologien ein entscheidender Flaschenhals zu werden droht. Hier besteht breite Einigkeit über die befragten Gruppen hinweg, dass neben dem Fokus auf Ausbildung angesichts des demographischen Wandels auch Einwanderung von Fachkräften notwendig ist. Gleichzeitig herrscht bei den Befragten weitgehend Einvernehmen, dass die Transformation sozial ausgewogen sein muss. Für den verwandten Bereich Soziales schlagen die Autoren daher gezielte Entlastungen für Haushalte und Unternehmen vor, die besonders von den Veränderungen im Zuge der Transformation betroffen sind.

Schließlich betonten fast alle Interviewpartnerinnen, wie wichtig es sei, über nationale Grenzen hinweg die europäische Dimension bei der Koordination geplanter Maßnahmen zu bedenken. Angesichts neuer geopolitischer Herausforderungen sowie des anhaltenden russischen Kriegs gegen die Ukraine, hat die Bedeutung der Resilienz in der öffentlichen Diskussion deutlich an Gewicht gewonnen. Für viele Akteure gehört die Sicherung strategischer Zukunftsindustrien inzwischen zu einem nachhaltigen Zukunftsbild.

Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Schluss, dass die neue Bundesregierung in all diesen Bereichen wichtige strategische Entscheidungen treffen und Leitplanken setzen kann, um es der Wirtschaft zu ermöglichen notwendige Investitionen in die klimaneutrale Transformation zu tätigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Die Studie “Klimaneutraler Wirtschaftsstandort 2045 - Handlungsbedarfe zwischen Konsens und Kontroverse“ ist über den untenstehenden Link kostenlos abrufbar.
 

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